HOLZER, Heinrich (2011): Fadenwesen Fabelhafte Pilzwelt. Edition Lichtland Freyung. ISBN 978-3-942509-11-4. 154 Seiten. Preis: 29,90 Euro

Diese Buchbesprechung ist nur bedingt sachlich-objektiv, da sie doch stark beeinflusst ist von der Begeisterung des Rezensenten über ein tolles Pilzbuch, das sich als Geschenk sowohl für Pilzeinsteiger als auch für Mykologen bestens eignet. Es kann dem pilzinteressierten Laien den Auslöser geben, sich mehr mit der geheimnisvollen Welt der Pilze zu beschäftigen, zudem ist es eine vorzügliche Werbeschrift für den Nationalpark Bayrischer Wald.

Das Konzept
Nach einem Grußwort der Nationalpark-Verwaltung und einer vom Autor inhaltlich umfassenden, verständlich geschriebenen Einführung über die Bedeutung der Pilze in der Natur und für den Menschen führen einzelne Abschnitte in Teilaspekte der Pilzwelt ein, wie Symbionten-Parasiten-Destruenten, Winterschlaf der Pilze?, Urwaldarten, Ascomyceten und Myxomyceten; also keine strenge wissenschaftliche Systematik, sondern lebensnahe Interessengebiete des Waldbesuchers.

Der Schwerpunkt gilt dabei den an Holz wachsenden Pilzen sowie seltenen Pilzfunden im Nationalpark Bayrischer Wald. Das alles in einer journalistisch lockeren und ungezwungenen Weise, die den pilzinteressierten Zeitgenossen sicher ansprechen wird.

Die Bilder
Sie sind zweifelsohne das Prunkstück des Buches. Wer viele Jahre lang versucht hat, Pilze zu fotografieren, kann das rundum bestätigen. Auf fast 150 Seiten bestechen die Bilder nicht nur durch Größe, Bildschärfe und Farbechtheit, sondern in zahlreichen Fällen auch durch Orginalität (kleiner marasmoider Pilz vor menschlichem Auge, ein Erdwarzenpilz überdeckt den jungen Fichtentrieb, ein Holzritterling ist noch einmal vor dem Verspeistwerden durch einen  Schleimpilz davongekommen, oder das Rätselbild von alten Schopftintlingen als Nagelstöcke im Boden sind hierfür einige Beispiele). Auch bekanntere Pilzarten sind großartig abgebildet, nicht zuletzt Dank glücklicher fotogener Funde, was sicher viele, viele Pilzgänge erforderte.

Als Auswahl sind hier zu nennen: Vibrissea truncorum-Gruppe, Zungenkernkeule mit Warziger Hirschtrüffel, einfach schöne Feuerschüpplinge oder Haareis mit Silberglanz. Für den Mykologen stehen natürlich die abgebildeten Seltenheiten im Vordergrund ihres Interesses. Um einige zu nennen: Antrodiella citrinella, Cyphella digitalis, Hypsizygus tessellatus, Oligoporus luteocaesius, Oligoporus undosus, Phellinus pouzarii, Phlebia centrifuga und Schizopora bresinskyi.  Das sind Arten, die kaum oder noch gar nicht gut abgebildet sind!

Die allein sind die Anschaffung des Buches wert. Selbst graphische Kunst findet Berücksichtigung im Bild der Besitzgrenzlinien eines „Mosaikpilzes“.

Damit die Vielfalt der abgebildeten Pilze den Leser und Betrachter nicht ermüdet, werden zwischendurch zur Auflockerung des Buches beeindruckende, urige Naturaufnahmen aus dem Bayrischen Nationalpark gezeigt.

Die Texte und Namen
Auch die Texte gefallen in ihrer nicht akademisch-dozierenden, sondern journalistisch-kurzgefassten, mitunter humorigen Sprache („Amanita ist kein Mädchenname“). Sprachschöpfungen sind treffend, wie „Fadenwesen“ (Pilze wegen ihrer fädigen Struktur), „Deutschlandpilz“ für Fomitopsis pinicola (der wohl häufigste Porling in Deutschland mit seiner Dreifarbigkeit bisweilen „Schwarz-Rot-Gold“) oder „Schildkrötenrasling“ für Hypsizygus tessellatus (wegen der einer Karettschildkröte ähnlichen Hutzeichnung). Insgesamt lässt sich sagen, die Textart mit leicht fassbaren Worten ist gekonnt und unterhaltsam und wird bei den meisten Lesern gut ankommen. Auch das also positiv!

Und wo bleibt das Negative?
Die These: „Wo viel Licht ist, da ist auch Schatten“ trifft für diese Veröffentlichung kaum zu. Nur Weniges konnte mir nicht so ganz gefallen:

·         Das zeitmoderne Layout des zerstückelten Titelbildes mit dem UPO (unbekanntes Pilzobjekt) ist Geschmacksache, zumindest jedoch gewöhnungsbedürftig.

·         Der deutsche Name „Grauer Scheidenstreifling für Amanita battarrae passt nicht so recht und ist allgemein bereits für Amanita vaginata vergeben.

·         Thelephora terrestris  (Bild mit dem Fichtensprössling) ein Mykorrhizapilz? Ich lernte, der Pilz sei ein Fichtenschmarotzer.

·         Einige meist jedoch unwesentliche Schreibfehler bedürfen bei einer Neuauflage der Korrektur.

·         Beim Bild des Autors fehlen Anschrift und Lebensdaten (war das falsche Bescheidenheit?)

So bleibt mir nun nur noch, Herrn Heinrich HOLZER und seiner Mannschaft zu dieser meisterlichen Leistung zu gratulieren und diesem Bestseller der neueren Pilzliteratur eine weite Verbreitung zu wünschen.

                                                                                                                                                             Achim Bollmann